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Montag, 15. Juni 2015

Es dampft und qualmt. Die Luft flimmert vor Hitze, unbarmherzig scheint die Sonne auf den schon vor langer Zeit vertrockneten Boden. Über diesen schiebt sich mit zunehmender Geschwindigkeit ein fahrbares Metal-Cover, das nicht geschaffen wurde um zu rasten. Dutzende Autos, Motorräder und Trucks konkurrieren um die Pole-Position dieses Zuges, alle sind festlich mit Stacheln, Schädeln und Flammen geschmückt. Die Fahrer sind auf der Jagd: Eine Abtrünnige aus ihren eigenen Reihen möchte mitsamt der fünf Frauen ihres Anführers flüchten. Was die Flucht aus dieser Gemeinschaft angeht, hat Max ähnliche Ambitionen. Dumm nur, dass diese erstmal warten muss, da Max derzeit als Galionsfigur des führenden Wagens fungiert. Ich möchte laut losbrüllen: „Fuck Yeah!“


Über die eigentliche Geschichte von “Mad Max: Fury Road“ gibt es ansonsten nichts zu schreiben, das war es. Regisseur George Miller‘s Reboot, des eigens erschaffenen Franchises, ist eine einzige große Verfolgungsjagd geworden, die sich der Welt der aktuellen Blockbuster-Kultur vehement in den Weg stellt. Handgemachte Effekte, schroffe Charaktere und ein simplifizierte Story wehren sich gegen CGI-Schlachten, Superhelden und bis auf die letzte Drehbuchzeile durchgestylte Geschichten. Manchmal ist weniger mehr. Dem Film allerdings vorzuwerfen zu wenig von einer Sache zu haben, wäre dabei mehr als beleidigend. Selten geben sich ein solch ausuferndes Design und dessen letztendlicher Nutzen so die Hand. Als bestes Beispiel dürfte hierfür wohl der Gitarrist dienen, der mit seiner Flammen-Gitarre den Schlachtzug anführt und bereits jetzt Kultstatus genießen darf. Das Ganze sieht nämlich nicht nur wahnsinnig cool aus, sondern es ergibt in der Welt von Mad Max einfach auch total Sinn, sein Heer nebst der altbekannten Paukenschläge nun zusätzlich mit exquisiten Riffs anzupeitschen. Die Action ist atemberaubend schnell. So schnell, dass Actionsequenzen teilweise in doppelter Geschwindigkeit abgespielt werden und in einem wahren Schnittgewitter gipfeln, sodass man dem Geschehen kaum noch folgen kann. Miller prescht alles was er hat auf seine Zuschauer ein und lässt ihnen keine Verschnaufpause. Und auch optisch ist der Film eine Wucht, die schnellen Bilder sprühen nur so vor Adrenalin und Kraft. “Mad Max: Fury Road“ ist schnell, dreckig und schnell. 

Die größte Stärke von “Mad Max: Fury Road“ liegt aber in dem, was Miller uns nicht zeigt. Alles wirkt organisch und passt perfekt zusammen ohne zu viel von seinem Zauber zu entblößen. Zahnrad um Zahnrad greifen ineinander, so dass sich jedes noch so kleine Detail bewegt und sich gekonnt in Szene setzen kann. Hinter der schlichten Oberfläche einer Verfolgungsjagd quer durch die Wüste verbirgt sich viel mehr als es zunächst scheint und in genau diesen Momenten weiß Millers Film zu glänzen wie der Chrom seines Fuhrparks. Seinem Zuschauer bewusst alle Informationen über die Welt von Mad Max vorzuenthalten ist ein intelligenter Schachzug, der viel Atmosphäre aufbaut. “Wir haben hier ein unglaublich reiches Universum mit einer tief schürfenden Hintergrundgeschichte geschaffen, erzählen euch darüber aber nichts, reimt euch doch selbst etwas zusammen!“, kann man Miller förmlich sagen hören. Denn was man nicht greifen kann ist schön, ausformuliert verliert alles unvermeidlich an Faszination, kann plump oder albern wirken. 




Über Max wissen wir so gut wie nichts. Wahnsinnig schnell geschnittene Flashbacks lassen vermuten, dass er seine Familie in der Vergangenheit verloren hat, aber genaues wissen wir nicht und das ist auch gut so. Das was wir sehen ist das was wir kriegen und damit müssen wir uns abfinden, alles andere ist für unsere Bonuskarte. Wie kam es zu diesem post-apokalyptischen Szenario, in dem die Erde einer riesigen Wüste gleicht? Dazu verliert Miller kein Wort, genau so wie zu den unzähligen Bräuchen, der Religion und den tatsächlichen Machtverhältnissen dieser verdorrten Welt. Der Zuschauer ist auf sich alleingestellt, muss sich selbst auf die Wahrheitssuche begeben. Ungewohnt. Wird man doch ansonsten so sanft in ein neues Film-Universum eingeführt und bekommt alle nötigen Informationen auf dem Silbertablett präsentiert. Genau das macht den Zauber aus, der den Film umgibt, denn darum schert sich Miller nicht, er wehrt sich regelrecht gegen den Drang alles wissen zu müssen. So ist es schwer sich der Mystik von Millers Vision einer einzigen großen Actionsequenz zu entziehen, aber wer würde das auch wollen?

Dienstag, 2. September 2014

"Du musst dir Bob Dylans 'Desolation Row' anhören, ich hab selten so einen simplen und dennoch komplexen Song in meinem Leben gehört. Ich hab noch Stunden über den Text nachgedacht." - "Cool, gibt's den auch bei Spotify?"



Nein, Nein, Nein möchte ich schreien, während es mich innerlich zerreißt, obwohl ich mir sicher bin, dass es dieses Meisterwerk auch bei Spotify zu finden gibt. Wie eigentlich alles. Mit einem einzigen Klick. Klick."They're selling postcards of the hanging, they're painting the passports brown..." Klick. "Hello, I've waited here for you - Everlong. Tonight, I throw..." Klick. "I ain't happy, I'm feeling glad. I got sunshine, in a bag." Natürlich leben wir mittlerweile in einer schnelllebigen Welt. Die Welt hat sich weiterbewegt, wir rasen mit 200 Km/h über die Autobahn, wir essen, wir arbeiten, konsumieren und wir essen wieder. Das Internet hat uns näher zusammengebracht und diesen 200 Km/h noch einmal 20 draufgelegt. Die musikalische Inflation, die, wie es mir scheint, mit dem Aufkommen der Musikstreaming-Dienste erst so richtig in Fahrt gekommen ist, bricht mir aber jeden Tag erneut mein Herz. Mir geht es dabei ausnahmsweise nicht einmal um die Künstler, die ohne unzählige Liveauftritte am Hungertuch nagen würden. Denn mit CDs lässt sich heutzutage einfach kein Geld verdienen und mit Spotify, Rdio, Ampya und Co. noch weniger.

Mein Problem mit den Streaming-Diensten ist eher künstlerischer Natur, denn mir kommt es mehr und mehr so vor, als würde Musik in unser Gesellschaft an Wert verlieren. Ein bisschen 'Daft Punk' hier, ein wenig 'Lana Del Ray' dort und auf der Party tanz ich dann zu den angesagtesten Beats. Dagegen ist nichts einzuwenden, das Problem ist, dass Musik mehr und mehr zur Mode wird. Natürlich waren Musik und Modeerscheinungen schon immer stark miteinander verknüpft, ein Punker würde schließlich nicht mit Baggy und Baseball-Cap auf ein Konzert gehen, von dessen Band vermutlich nur eine Handvoll Menschen jemals überhaupt gehört hat. Es geht vielmehr darum, wie wir uns öffentlich darstellen: Hör ich einen Song, landet dieser automatisch in meinem Feed und alle meine Freunde sehen zu welchen Songs ich gerne koche oder Glühbirnen wechsle. Bin ich also lieber der beinharte Schlagerfan oder der HipHop-Experte, der jeden Sound vor allen Anderen kennt? Ich habe die Wahl, wie ich mich nach Außen präsentieren möchte. Natürlich kann man auch in den Inkognito-Modus wechseln, oder sonst was darauf geben, was die anderen von einem denken. Ich glaube aber, das tun die Meisten einfach nicht. Sehen und gesehen werden lautet die Devise, da hat sich in den letzten tausend Jahren Menschheit nicht all zu viel verändert. Und jetzt funktioniert das sogar über Musik, die man in den privatesten Situationen hört. Cool.

Bob Dylan is not amused.

Neben dieser eigenwilligen Form der Selbstdarstellung, stört es mich aber vor allem, dass Songs aus ihrem natürlichen Umfeld gerissen und in klapprige Playlists verfrachtet werden, in denen sie dann vor sich hin rotten. Viele zusammengehörige Lieder einer Gruppe werden nicht ohne Grund auf einem Album veröffentlicht und so arrangiert wie sie nunmal arrangiert werden. So können bestimmte Atmosphären erschaffen werden, Gefühle ausgedrückt, ja sogar ganze Geschichten erzählt werden. Man nehme beispielsweise das wundervolle Album 'The Downward Spiral' von 'Nine Inch Nails', darin wird die Geschichte eines psychisch gestörten Mannes erzählt, der immer weiter in den Sumpf des Wahnsinns absinkt, zum Schluss findet dieser aber vielleicht seine Erlösung. Hört man nun nur einzelne Lieder dieses Machwerks oder mischt die Reihenfolge der Tracks durch, kann man die Tragweite dieses Meilensteins gar nicht verstehen. Ein Lied muss für sich stehen, so lautet der einhellige Tenor. Ich für meinen Teil finde, das ist absoluter Schwachsinn. Klar kann ich 'Bruce Springsteens' 'Thunder Road' hören und mich in Klang und Text verlieben, alle Sachen packen und mich auf die Reise machen. In der Gemeinschaft der anderen Songs von 'Born to Run' fällt der Song allerdings nochmals viel gewichtiger aus.

Gibt mir jemand den Tipp für eine gute Band, die mir sicherlich gefallen würde, kaufe ich mir daher lieber ein ganzes Album, als Stellen bei Spotify vorzuhören und dann meine Bestellung zu tätigen. Denn seien wir mal ehrlich, diesen Spruch, dieses Argument hat schon fast jeder gebracht, kurz in einen Song reingehört und die Band dann für immer vergessen. Hat man Pech mit dem ausgewählten Song, eine langsame Stelle getroffen oder vielleicht ein Instrumental rausgepickt, obwohl man auf der Suche nach starken Texten war, ist die Geschichte mit dir und dieser Band vorbei bevor sie angefangen hat. Und für Musik darf ja sowieso kein Geld mehr ausgegeben werden, mittlerweile gehört es wohl zum Allgemeingut auf alle Songs dieses Planetens kostenlos zugreifen zu können. Bezahlt mal wieder Geld für eine Platte die euch am Herzen liegt, ich schwöre euch, wenn ihr dafür bezahlt, nehmt ihr die Musik noch einmal komplett anders wahr. Man lernt das was man hört zu schätzen. Es ist nie gut einfach alles zu haben, sei es Geld, Macht oder eben Musik. Irgendwann wird es an Wert verlieren, Übersättigung tritt ein und lässt einen abstumpfen. Dann sind die Zeiten vorbei, als ein Horrorfilm dir noch schlaflose Nächte beschert hat, heute müssen schon Menschen verstümmelt werden, um überhaupt eine Regung aus dir zu bekommen. Spotify macht die schönsten Songs zu Massenware, macht ein Rindersteak zu Fastfood. Außerdem hören wir nicht mal mehr richtig hin, diese kostenlose Dauerbeschallung ist all die wundervollen Songs, all die leidenschaftlichen Musiker und all die gebrochenen Dichter, die mit ihrem letzten Geld ein paar Lieder aufgenommen haben, einfach nicht wert. Spotify macht taub. Spotify färbt das Herz von innen Schwarz und dann fault es.  

Donnerstag, 16. Januar 2014



Weihnachten 2000, Los Angeles. Nathaniel Fisher ist Bestattungsunternehmer. Gerade hat er ein neues Investment getätigt, er hat einen neuen Leichenwagen gekauft. In diesem fährt er nach Hause während er gerade mit seiner Frau Ruth telefoniert. Nathaniel nimmt einen Zug von seiner Zigarette, während seine Frau ihn ermahnt doch endlich mit dem Rauchen aufzuhören. Im Radio läuft 'I´ll be Home for Christmas'. Ein Bus fährt in den Wagen.






Nathaniel Samuel Fisher *1944 -  2000








Das ist die Grundlage auf dem die Serie Six Feet Under seine Geschichte aufbaut. Alles beginnt mit dem Tod. Nathaniel Fisher hinterlässt eine ganze Familie: Seine Frau Ruth, seine Tochter Claire und seine 2 Söhne Nathaniel Jr., kurz Nate genannt, und David. Nate wohnt in Seattle und ist eigentlich nur für die Feiertage nach L.A. geflogen, er arbeitet bei einer großen Lebensmittelfirma und fand den Beruf seines Vaters schon immer befremdlich. Kein Wunder, dass er so schnell wie möglich von zu Hause auszog. Bei David sieht das anders aus, nicht umsonst heißt das Bestattungsunternehmen 'Fisher & Söhne'. Er präparierte zusammen mit seinem Vater und Mitarbeiter Federico die ankommenden Leichen, verkaufte Särge und kümmerte sich um die Kunden. Jetzt seinen Vater für seine letzte Reise herzurichten ist aber auch für David nicht leicht. Besonders Nathaniels Testament birgt eine große Überraschung für David: Das Bestattungsunternehmen geht nicht vollständig in seinen Besitz über, sondern wird zu 50% mit seinem Bruder geteilt. Auch Nate scheint davon sichtlich überrascht und bleibt nur nach langem überlegen schließlich in L.A. .

Six Feet Under ist eine wirklich besondere und einzigartige Serie, obwohl sie einfach nur aus dem normalen Leben erzählt. Hier gibt es keine Väter die anfangen Meth zu kochen, Mafiabosse oder smarte Detektive. Naja, eigentlich stimmt das fast auch nicht, innerhalb der 5. Staffeln behandelt Six Feet Under nahezu jedes erdenkliche Thema, ohne dass das aufgesetzt wirkt und macht da auch nicht vor Tabu-Themen halt. Inzest? Kein Problem, könnt ihr haben. Da Six Feet Under eine HBO-Serie ist darf auch durchgängig geflucht werden und einer der Hauptdarsteller schwul sein, alles kein Problem. Nennt mir ein Thema, ich bin mir sicher das hat schon einmal seinen Platz in einer Episode Six Feet Under gefunden. Es ist eigentlich paradox, dass eine Serie die vom Sterben erzählt diejenige ist, die das Leben am universellsten zusammenfasst, aber so ist das anscheinend wohl.

Six Feet Under ist eine klassische Drama-Serie. Bis auf den ikonischen Beginn jeder Folge müssen keine aufgezwungenen Rituale durchgeführt werden, es gibt keinen Fall pro Folge der gelöst werden muss alles kann sich frei und ohne Regeln entfalten. Was es aber gibt, ist der Tote der Woche. Denn bevor wir am Anfang jeder Episode wieder in den Alltag der Fishers geworfen werden, sehen wir immer die letzten Augenblicke eines Menschen. In der ersten Folge ist es nunmal der Vater der Fishers, aber vom Autounfall bis zum Pumaangriff über Herzinfarkte hin zum Tod durch einen Blitzeinschlag ist wirklich alles dabei. Einer schafft es sogar sich aus Versehen von seinem Eigenen Auto überrollen zu lassen. Sachen gibt's. Bei diesen Toden wird immer wundervoll mit den Erwartungen der Zuschauer gespielt, nichts passiert wie erwartet und manchmal hingegen doch. Meisten gibt es statt 2 Böden gleich 3 und sieht man zu Beginn einer Folge dann ein bekanntes Gesicht, stiehlt das einem schon nach wenigen Sekunden den Atem - Warum sehe ich da gerade Claire? Die können sie jetzt doch nicht töten, das geht doch nicht! Zu Beginn jeder Folge muss Jemand sterben, das ist unausweichlich und es kann wirklich jeden treffen. Denn wenn eine Serie konsequent ist, dann Six Feet Under. Fühlt sich ein Familienmitglied gerade wohl in seinem Leben, kommt Fädenzieher und Mastermind Alan Ball um die Ecke und schlägt mit seinem Vorschlaghammer wieder alles in Stücke. Kein Charakter tritt lange auf der Stelle, kein Boden ist stabil und das ist wohl die größte Stärke von Six Feet Under. Während die meisten Serien spätestens nach der dritten Staffel zu langweilen beginnen, dreht Six Feet Under ab diesem Punkt erst richtig auf, da werden alle Konventionen über Bord geworfen und neue Dinge probiert. 



Zu Beginn fasziniert einen das ungewöhnliche Setting des Bestattungsunternehmens noch ungemein. Die kahle Leichenhalle und die toten Körper sind wirklich befremdlich und strahlen eine besondere Faszination aus, aber nach 1-2 Staffeln wird das auch für den Zuschauer zum Alltag. Ich Glaube ich könnte euch eine wirklich schöne Beerdigung organisieren. Den Titan-Sarg würde ich nicht nehmen, der ist wirklich zu teuer, er landet ja eh nur unter der Erde. Wünschen sie eine private Abschiedsnahme, darf es dann auch eine Einbalsamierung sein? Je länger man guckt, desto mehr verliebt man sich in die Fishers. Das Autorenteam rund um Alan Ball hat es geschafft echte Charaktere zu schaffen, die einfach aus deiner buckligen Verwandtschaft geklaut sein könnten. Nach und nach wird man ein Teil dieser kleinen Familie, die einem richtig ans Herz wächst. Man Möchte bei einem Bier mit Nate über das Leben und den Tod philosophieren, David sagen, dass er sich entspannen soll und nicht immer alles so wichtig nehmen muss, Claire helfen sich selbst zu finden und Ruth einfach in den Arm nehmen, weil sich nie etwas so ausspielt wie sie es verdient hätte. Man freut sich einfach jedes Mal wenn man den Fernseher einschaltet und ein Familienmitglied der Fischers sehen kann. 

Und auch der tote Vater Nathaniel ist ein Unikat, oder muss es jedenfalls gewesen sein. Denn hier gibt es eine weitere Besonderheit Six Feet Unders: Tote fangen gerne an wieder zu reden, rauchen und wollen einfach noch ein wenig weiter leben. Natürlich passiert das alles in den Köpfen unserer Protagonisten, ist daher aber nicht weniger amüsant wenn Nathaniel sich auf seiner eigenen Beerdigung in Shorts und Hawaihemd blicken lässt und erstmal anfängt genüsslich eine Kippe zu rauchen. So können spannende Situationen entstehen, die man so bestimmt noch nicht gesehen hat. Wenn Tote anfangen ihren Selbstmord zu rechtfertigen ist das einfach narratorisch außergewöhnlich und genial. Auch sonst wirkt Six Feet Under wie eine ernste und schwarzhumorige Version von Scrubs, denn Tagträume gibt es immer wieder und wenn eine Szene plötzlich zu einem kleinen Musical ausartet kann man sich einfach nicht beschweren. 




Ich glaube Six Feet Under ist auch DIE Serie für Drehbuchnerds. Interessiert man sich dafür wie gute Geschichten geschrieben werden, die immer etwas neues bieten und aus denen man selbst auch Lehren ziehen kann, sollte man Six Feet Under studieren. Kleine Kniffe werden beispielsweise gerne mal Staffeln später wieder aufgegriffen. Nichts wird vergessen und alles bleibt logisch und in Bewegung. Was Six Feet Under außerdem perfektioniert hat ist die Weißblende. Schwarzes Überblenden gibt es nicht, stattdessen wirkt jeder Schnitt als würde man ins Licht treten, bis zum Ende dieses langen hellen Tunnels und das ist schlichtweg das Passendste was man sich für diese Serie ausdenken hätte können.

Denn die große Botschaft hinter Six Feet Under ist wenig überraschend: Lebe dein Leben, du bist nur einmal hier. Oder doch nicht? Ist das was du machst wirklich sinnvoll, kann überhaupt etwas sinnvoll sein wenn wir sterben? Verbringe Zeit mit dem was dich glücklich macht. Six Feet Under ist auf keine Weise esoterisch und wenn doch, dann aus einem guten Grund. Ich weiß, dass es sich bei Six Feet Under 'nur' um eine Serie handelt und diese produziert wurde um Geld zu verdienen und leichte Unterhaltung für den Abend zu bieten. Ich glaube aber nicht, dass Alan Ball wirklich Profit im Sinn hatte, dafür ist viel zu viel Herzblut in diese Serie geflossen und ist die Wunde wieder verschlossen gewesen hat Herr Ball ein Messer gezückt um das Blut wieder fließen zu lassen. Für mich ist Six Feet Under zu mehr als nur eine Serie geworden. Ich bin der festen Überzeugung, dass jeder der es bis zur letzten Episode geschafft hat und bei dieser insgeheim ein paar Tränen verdrückt hat, wenigstens stückweit ein besserer Mensch geworden ist. Vielleicht hilft er auch jetzt nicht der armen Großmutter über die Straße oder versucht den Hunger in Afrika zu stoppen, vielleicht bleibt er dennoch das Arschloch, das er sein ganzes Leben lang gewesen ist, aber irgendwas wird in ihm *klick* gemacht haben. Eine kleine Epiphanie nur für ihn, die ihn die Welt ganz kurz aus einem anderen Blickwinkel sehen lassen hat.

Wenn ich eines niemals an Six Feet Under vergessen werde, dann ist es eine Szene gegen Ende der Serie zu der Nirvanas 'All Apologies' gespielt wird. All in all is all we are. Besser kann man Six Feet Under nicht beschreiben.


Alle warten.

Samstag, 4. Januar 2014

Ladys and Gentleman,
Alex' Spionage-Dezember ist zu Ende und hier ist er endlich, mein kleiner Rückblick auf das Jahr 2013. Es hat lange gedauert, aber besser spät als noch später präsentiere ich euch meine Filme des Jahres, wenn das Mal nichts ist, junge junge.


Die Regeln sind sowohl einfach, als auch dumm: Es gelten nur die Filme, die ich auch wirklich dieses Jahr im Lichtspielhaus gesehen habe, demzufolge stehen 31 verschiedene Titel zur Auswahl. Diese reichen von Hirnzellen verbrennenden Meisterwerken ala 'Elysium' oder 'Iron Man 3' bis zur absoluten Nische wie etwa Polanskis verzwicktes Kammerspiel 'Venus im Pelz'. Dieses System hat den klaren Vorteil, dass man sich Kommentaren wie: "'Faaast and 2 Furiooous' ist aber fiel geiler, wegen den geilen Autos und den geilen WeibOOrn und den geilen Explosionen!!!1", gar nicht erst zu stellen braucht, denn die Wahrscheinlichkeit, dass ich diesen Film im Kino gesehen habe ist doch recht marginal. Aber genug der Schwafelei, hier ist meine persönliche Top 5 der Filme 2013: 


(*Trommelwirbel*)

Platz 5 - Only God Forgives (Nicholas Winding Refn)


Auf das Holztreppchen schafft es Nicholas Winding Refns schweigsames Neon-Drama 'Only God Forgives'. Das ganze wurde hier im Blog zwar schon behandelt, aber ich verliere gerne nochmals ein paar Worte zum wohl sperrigsten Film des Jahres. Was macht Only God Forgives so besonders, warum Platz 5? Naja, ganz einfach, der Film reißt gleich zu Beginn seinen Mittelfinger empor und reibt diesen dem Zuschauer genüsslich 90 Minuten lang in sein Gesicht. Von Links nach Rechts, von Rechts nach Links. Gerade Filmexperten, die sich Filmexperten nennen, weil sie Refns Vorgängerfilm 'Drive' gesehen haben, müssen regelrecht schockiert über den Neontrip durch Bangkok gewesen sein. Ein verstörender Gossling, eine verwirrende Geschichte und bedeutungsschwangere Bilder. So extrem perfekt fand ich Only God Forgives ehrlicherweise übrigens gar nicht, der Film beschäftigt dich aber noch Wochen nachdem du völlig verdutzt das Kino verlassen hast und das macht große Filme aus. Kunst soll ja keine Antworten geben, sondern Fragen stellen. Außerdem muss die Anarchie, die Refns Werk versprüht gehuldigt werden, deswegen Platz 5. Anderenfalls würde hier Tarantinos 'Django Unchained' stehen. Streng genommen wäre letzterer in meinen Augen wohl der bessere Film, aber Tarantinos neuestes Werk ist irgendwie, naja, wie soll ich sagen, zu vorhersehbar geworden. Versteht mich nicht falsch "Django" ist ein fantastischer Film, aber eben nur ein guter Tarantino, daher nur den imaginären Platz 6 für 'Django Unchained'.

Platz 4 - 00 Schneider - Im Wendekreis der Eidechse (Helge Schneider)


Auf dem anderen Holztreppchen (diesmal aus feinstem Mahagoni) findet sich Helge Schneiders Kriminalfilm '00 Schneider - Im Wendekreis der Eidechse' wieder. "Ich wurde nicht als Kommissar geboren, ich musste diesen Beruf erst erlernen." Es ist einfach herrlich Helge wieder auf der großen Leinwand zu sehen, wer bereits einen anderen Schneider-Film gesehen hat, weiß was ihn erwartet. 90 Minuten höchst professionell unprofessionell produzierter Stuss in Reinform. "Alle 400 Jahre wird ein Eidechsenmensch geboren, die Frage ist nur, ob er in dieser Gesellschaft überleben kann" merkt der Kommissar folgerichtig an und eben dieser  Eidechsenmensch hat beim Kiosk um die Ecke Mettbrötchen und Kippen geklaut, ein klarer Fall für den Kommissar. So entwickelt sich langsam ein epischer Handlungsstrang um gestohlene Hühner, Mandarinen, Tanten aus Amerika und natürlich Fluppen. Denn was wäre schon ein 00 Schneider- Film ohne übermäßigen Zigarettenkonsum? Vermutlich kein 00 Schneider Film. Entweder man findet Helge nicht lustig oder man vergöttert ihn. Eigentlich hatte ich gehofft, dass Edgar Wrights "The Worlds End" an dieser Stelle steht, aber Helge ist einfach zu fantastisch. Bestes Zitat des Films: "Kannst du mir diesen Fußabdruck analysieren? - Ja, starker Raucher, ungefähr 80 Kilo schwer, schwarze Haare." Oder nein: "Das ist Roy Ernest Faustcamper, Erfinder der Polizei." oder nein, warte: "Das ist aber ein schönes Gelände hier, ein wirklich schönes Gelände, ja das ist aber ein wirklich schönes Gelände hier". Selten so gelacht.


Platz 3 - Gravity (Alfonso Cuarón)


Der Kinofilm des Jahres ist Gravity, keine Widerworte. Alfonso Cuaróns 'Open Water' in Space ist technisch einfach zu beeindruckend, um ihn nicht im Kino zu sehen, da ist es auch egal wenn der Hobbit in 48 Frames läuft und Sherlock Holmes zum Drachen macht, was in Gravity gezeigt wird ist einfach einmalig. Zwar schwächelt Sandra Bullocks und George Clooneys Weltraumtripp gegen Ende ein wenig, was bis dahin aber alles passiert ist macht das locker wett. Ich meine, wann habt ihr schon einmal eine 15 minütige Plansequenz mit frei schwebender Kamera gesehen? Natürlich hat da Freund und Helfer CGI nachgeholfen, aber hey, vergleichbares habe ich trotzdem noch nie gesehen, ich musste meine Kinnlade wirklich festhalten. Mehr davon bitte Herr Cuarón!




Platz 2 - The Place beyond the Pines (Derek Cianfrance)


Meine Überraschung des Jahres und schon wieder Ryan Gossling. Silber geht an 'The Place beyond the Pines', der einfach nur in jeder Hinsicht wunderbar gelungen ist. Besonders anzumerken ist hierbei die perfekte Werbekampange, die im Grunde nur mit den Zuschauern gespielt hat und sie in eine völlig falsche Richtung führte. Anstatt Ryan Gosslings Action-Drama 'The Place beyond the Pines' zu sehen, durfte ich in den Mafiafilm-esquen 'The Place beyond the Pines" gehen, in dem sogar Ryan Gossling mitspielte. Juhu. Ich will den großen Kniff von TPbtP (wie wir cool People sagen) an dieser Stelle nicht vorwegnehmen, aber die simple Geschichte vom White-Trash Vater, der Banken ausraubt, um für sein Kind auszusorgen entwickelt sich zu etwas Größerem und auch Erwachsenerem als man dass zunächst glauben mag. Die Szene von der wohl jeder nach dem Film gesprochen hat kam so überraschend, traf so gut und setzte Meiner Meinung nach den Grundstein für einen modernen Klassiker. Auch technisch gibt es rein gar nichts zu meckern, die Optik des Films stimmt einfach. Gerade die Anfangsszene dürfte bereits in den nächsten Simpsons-Staffeln als Couchgag verwurstet werden. Selten wurde das Thema Schuld so gut behandelt, ich würde gerne mehr sagen, aber das würde zu viel vorwegnehmen. Solltet ihr den Film noch nicht gesehen haben, guckt ihn euch bitte an, aber informiert euch nicht weiter über den Film.

Platz 1 - Inside Llewyn Davis (Ethan und Joel Coen)  



Ironischerweise ist gerade mein Lieblingsfilm des Jahres der Einzige, von dem ich kein Kinoticket habe. Glücklicherweise konnte ich den Film im Zuge einer Moviepilot-Preview bereits vor Kinostart und im O-Ton schauen, was sich wirklich gelohnt hat. Für Leute die mich kennen dürfte es wohl kein Geheimnis sein, dass ich affin für Folk-Musik und Coen-Filme bin. Kein Wunder dass ich von Inside Llewyn Davis so begeistert bin. Warum ist eigentlich noch niemand auf die geniale Idee gekommen einen Weichzeichner auf das Bild zu legen anstatt den Film in Schwarz/Weiß zu drehen? Ich fordere mehr Filme mit Katzen, John Goodman, Folk und Justin Timberlake der sich selbst spielt. Prost Mahlzeit, wer mehr wissen will, der guckt mal HIER, da hab ich ein paar Seitchen zu Inside Llewyn Davis geschrieben.





Puhh hätten wir das hinter uns


Achja, Musik gabs ja dieses Jahr auch noch, hier einfach meine Top 8, weil eine Top 10 zu langweilig ist und eine Top 5 zu wenig ist. Kommentare sind wärmstens erwünscht, ihr habt Geheimtipps, Lieblingsfilme, oder gar den neuen Sound im letzten Jahr entdeckt? Bitte kommentieren, auch wenn es Elektrolore sein sollte:


Platz 8.
Rob Lynch - All These Nights In Bars Will Somehow Save My Soul





Platz 7.
Queens of the Stone Age - ... Like clockwork



Platz 6.
Turbostaat - Stadt der Angst



Platz 5.
Love A - Irgendwie





Platz 4.
Tim Vantol - If We Go Down, We Will Go Together




 Platz 3.
Thees Uhlmann - #2




 Platz 2.
Frank Turner - Tape Deck Heart




Platz 1. 
Tocotronic - Wie wir leben wollen







Montag, 7. Oktober 2013

Ich war wieder im Kino, dieses Mal war ich im neuen Film von Alfonso Cuarón. Cuarón, das ist der Mann, der sich mit der postapokalyptischen Weihnachtsgeschichte 'Children of Men' gemeinsam mit Kameramann Emmanuel Lubezki einen Namen gemacht hat. Das Dream-Team Lubezki/Cuarón ist jetzt nach ganzen 7 Jahren endlich wieder vereint. 'Gravity' heißt der Film, auf den sie so lange gewartet haben. Eigentlich waren Brad Pitt und Angelina Jolie für die Hauptrollen vorgesehen, schlussendlich spielen jetzt aber George Clooney und Sandra Bullock die zwei Astronauten, die hilflos durch das leere Weltall treiben. Allein, still und schwerelos.


'Gravity' ist ein ruhiger Film voller lauter Höhepunkte. Gleich der Anfang des Films ist wohl das technisch gesehen Beeindruckendste, was ich je gesehen habe. Die Kamera blendet auf die Erde, ganz weit in der Ferne ist ein kleiner Punkt zu sehen, es herrscht totenstille im Kinosaal, die ersten Zuschauer wundern sich bereits, ob vielleicht der Ton zu leise eingestellt ist, dann vernimmt man aber eine sehr leise Stimme, ein Funkspruch, der Punkt kommt immer näher und stellt sich als eine Art Satellit heraus, auch der Ton wird lauter, die Funksprüche stammen von Astronauten, die den Satelliten anscheinend reparieren, sind jetzt klar zu verstehen, die Kamera fliegt schwerelos um das Konstrukt herum, wir lernen einen leichtherzigen George Clooney und eine penibel genaue Sandra Bullock kennen, die Atmosphäre ist entspannt, bis Houston meldet, dass Trümmerteile eines anderen Satelliten auf die intergalaktische Baustelle herantreiben, die Astronauten werden getroffen, getrennt, und schweben hilflos durchs Weltall. Schnitt. Genau wie dieser nicht enden wollende Satz, endet auch diese Sequenz nicht. Für mindestens 10-15 Minuten führt Alfonso Cuarón uns in das bedrohliche Nichts des Weltalls ein, ohne einen einzigen Schnitt. Man kann zwar erahnen an welchen Stellen getrickst wurde, aber trotzdem ist diese Leistung schlichtweg beeindruckend, besonders, da die Kamera sich auf allen Ebenen dreht. Ähnlich wie die Astronauten, gibt es für sie kein Unten und auch kein Oben. Ich weiß nicht wie diese unglaubliche Plansequenz verwirklicht wurde, für mich scheint sie schlicht nicht machbar zu sein, auch wenn ich sie mit meinen eigenen Augen gesehen habe.


'Gravity' ist einer der ganz wenigen Filme, der die aktuelle CGI Technik sinnvoll nutzt. Ohne die beeindruckenden Effekte, hätte man den Film einfach nicht verwirklichen können. Wenn es in 'Gravity' kracht, ist das nicht nur gut für den Trailer, es treibt auch die spannende Story an. Denn wenn 'Gravity' eines ist, dann spannend. Auf den ersten Blick erwartet man das nicht von einem schwerelosen 'Kammerspiel' im endlosen Nichts, aber glaubt mir, dieser Film hat sehr viel zu bieten. Es geht um existenzielle Fragen, das Thema Geburt, Urängste und den Überlebenswillen von Menschen. An manchen Stellen wirkt der sonst so kalte und realistische Film fast schon esoterisch, ohne im Verlauf des Filmes jemals explizit auf solche Themen einzugehen. Cuarón gibt der sonst so simplen Geschichte dadurch ganz beiläufig eine gewisse Mystik, die zu einer erneuten Sichtung einlädt. Da wundert es nicht, dass ich ich glaube, den schwebenden Stift aus '2001' an einer Stelle in 'Gravity' wiedererkannt zu haben. Anders als Kubricks Meilenstein, wird 'Gravity' aber sowohl ein eher einfaches Publikum, als auch den klischeebehafteten, versnobten Cineasten begeistern können. Der Film ist einfach ein Instant Classic. So viele ikonische Einstellungen reichen sich die Hand, ebenso wie der perfekt harmonisierende Cast. Sowohl Clooney, als auch Bullock spielen brilliant. Cuarón hat sogar Zeit mit Erwartungen und den leider immer noch existenten 'In-echt-geht-das-aber-nicht-so-würde-das-nicht-funktionieren-unrealistisch' - Nörglern regelrecht zu spielen, ja, auch gegen die Wand zu spielen.


Beinahe hätte ich einen perfekten Film gesehen, wäre da nicht das eher schwache Ende gewesen. Besonders da hat Cuarón es sich viel zu einfach gemacht, zeigt er doch zuvor Alternativen auf. Ebenfalls muss ich einen Teil des Scores bemängeln. Der trieft an einer Stelle des Films nämlich nur so vor Kitsch und Pathos, das steht der eigentlich so dichten Atmosphäre wirklich nicht gut. Das sind aber nur marginale Kritikpunkte an einem ansonsten erzählerisch und technisch perfekten Film. Sollte Luzbeki nicht den Oscar für die beste Kameraarbeit erhalten, ist die Academy wirklich endgültig verloren. Seine Leistung ist schlicht aussergewöhnlich und dürfte auch dem 'normalen' Kinogänger den Atem rauben. Wenn ihr noch geradeso 7-8 Euro zusammenkratzen könnt, dann müsst ihr unbedingt ins Kino gehen, 'Gravity' ist nicht nur ein Film, sondern auch ein echtes Erlebnis. So etwas habt ihr wirklich noch nicht gesehen. Habt ihr das Geld nicht mehr, bleibt euch nichts anderes übrig, als einen Tag zu Hungern, diesen Film dürft ihr wirklich nicht verpassen.

Geht ins Kino 

Donnerstag, 3. Oktober 2013

Felina

1. Fe/Eisen Li/Lithium Na/Natrium. Blut, Meth und Tränen.

2. Felina ist der Name der Frau im Song 'El Paso'. In dem Song, geht es um einen Mann, der von El Paso flüchtet, um seiner Strafe als Mörder zu entfliehen. Er kehrt zurück und wird niedergeschossen.

3. Felina ist ein Anagramm für Finale.


Gestern flimmerten für mich die letzten Minuten, der letzten Folge Breaking Bad auf meinen flimmerfreien Fernseher dahin. 5 Staffeln voller erdrückender Spannung, raffinierter Pläne und einer ganzen Menge Drama endeten jetzt in einem ruhigen Finale. Anders als die Meisten es wohl erwartet hatten, verabschiedete sich unser aller Lieblingsserie auf einer ungewohnt leisen Note. Die drittletzte Folge 'Ozymandias' galt für viele Fans wohl noch als fulminanter Höhepunkt der gesamten Serie. Laut und schrill verabschiedete sich die Serie von unserem geliebten DEA-Agent Hank Schrader und lies Walts Familienleben irreparabel zerstören.

"My name is ASAC Schrader, and you can go fuck yourself." - Hank Schrader

Die vorletzte Folge 'Granit State' zeigte dann noch einmal, dass Breaking Bad nicht nur von seinen spektakulären Wendungen lebt, sondern in erster Linie eine Drama-Serie ist. In dieser Folge ging es schlicht nur darum Walts und Jesses Charaktere zu brechen. Beide haben alles in ihrem Leben verloren. Walt lebt im Grunde als einsamer Einsiedler in der klirrenden Kälte. Muss sogar seinen Kontaktmann dafür bezahlen, dass ihm dieser Gesellschaft leistet. Gleichzeitig frisst der Krebs ihn von innen auf. Er ist so abgemagert, dass sein Ehering vom Finger rutscht und er sich dazu gezwungen sieht, sich temporär zum Hobbit zu machen. Sein Sohn möchte nicht mit ihm sprechen, nimmt sein hart erarbeitetes Geld nicht mehr an. Und seine ehemaligen Geschäftspartner spielen seine Leistung zur Gründung von Grey Matter herunter. Walt arbeitet nicht mehr im Imperiengeschäft, dieser Mann hat alles verloren, was er nur verlieren konnte. Jesse geht es da nicht besser, nach all dem was er über die vergangenen Staffeln erleiden musste, wird er jetzt auch noch von den Nazis zum Meth Kochen versklavt. Seine Liebe, für deren Sicherheit er sie extra verlassen hatte, ist tot. Jesse ist ebenfalls am Ende.


Was eine fröhliche Ausgangssituation für die allerletzte Folge Felina. Walt durchbricht nach einem elendig langem Jahr seine Isolation und verwandelt sich zum letzten Mal in Heisenberg. Sein Masterplan ist noch nicht vollendet, seine Familie hat sein Geld noch nicht erhalten und seine Rache hat er auch noch nicht bekommen. Wie Walt diese Probleme löst, ist einfach so fantastisch passend gemacht. Walter White war immer der kühl berechnende Strippenzieher, der es meisterhaft vermag seine Mitmenschen zu manipulieren und so an sein Ziel zu kommen. Genau das macht er, genau das funktioniert. Walter löst alle seine Probleme, seine Familie ist für Lebzeiten versorgt. Er hat Jesse befreit. Er hat das Imperium, das er aufgebaut hat mit Benzin getränkt und selbst das Streichholz geschmissen. Der König geht mit seinem Reich unter. Die wohl wichtigste Szene der Folge spielte sich aber nicht in der Wüste oder in irgendwelchen Meth Laboren statt. Sie spielte in der neuen Wohnung von Skylar. Als Walt kühl seiner Frau beichtet, dass er all das was er getan hat nur für sich getan hat. Nicht für die Familie. Er hatte Spaß an dem was er tat, er war gut darin, er konnte endlich er selbst sein und war nicht mehr hinter seinem kleinen Schreibtisch als Chemielehrer gezwängt. In dieser Szene verschmilzt er mit Heisenberg und kann endlich seinen Frieden finden, kann sterben gehen und für seine Sünden büssen. Wäre Walt lebend aus der ganzen Geschichte herausgekommen, hätte ich das der Serie wohl auch nie verziehen. Walts Tod war unausweichlich. 

"I did it for me." - Walter White

Anders sieht es da für Jesse aus, der in meinen Augen absolut ebenbürtig als Protagonist der Serie zu sehen ist. Es ging immer um Walter und Jesse, Jesse und Walter. Jesse führt Walter in die Drogenszene ein, Walter zieht Jesse letztendlich viel tiefer in die Kriminalität als er sich das je hätte träumen lassen. Im Grunde ist Jesse Pinkmann ein herzensguter Mensch. Für mich wurde Breaking Bad immer mehr zum antiklimatischen Wechselspiel zwischen Walt und Jesse. Zu Beginn fiebert der Zuschauer immer mit Walter White mit, hofft, dass er den Krebs besiegen kann und das Geld für seine Familie besorgt bekommt. Jesse ist in den Augen des Zuschauers der eigentliche Kriminelle und sein Tod scheint viel gerechtfertigter als der Walts. Im Verlauf der Geschichte wechseln diese Sympathien. Jesse zeigt immer mehr Reue für seine Taten, möchte an so vielen Punkten den kriminellen Kreislauf durchbrechen, ein normales Leben führen. Walt zieht ihn aber immer wieder in den kriminellen Sumpf hinein und zerstört Jesses Leben so Stück für Stück. Walter ist schon längst kein Sympathieträger mehr, im Laufe von Staffel 5 habe ich ihm regelmäßig den Tod gewünscht. In welcher Serie gibt es schon so eine krasse und gleichzeitig glaubwürdige Charakterentwicklung? Mir fällt keine ein. 

"Yo, Bitch." - Jesse Pinkmann


Aber kommen wir zum eigentlichen Finale. Natürlich scheint Walts Plan recht fragwürdig und fragil die Nazis mit der MG im Kofferraum zu erwischen, aber das waren Heisenbergs Pläne eigentlich immer, schlussendlich ist Breaking Bad ja auch eine Serie. Der Plan an sich passt perfekt, Walter selbst macht sich wie immer nicht die Finger schmutzig. Nur für Obernazi Jack, der anscheinend nach der Maxime 'solange man lebt soll man rauchen' lebt, lässt Walt seinen Zeigefinger zucken. Walt rettet Jesse, das ist er ihm einfach schuldig, nach all dem, was er ihm angetan hat. Wie im Rausch erwürgt der völlig verlotterte Jesse seinen Peiniger. Daraufhin bietet Walt ihm seinen Gnadenschuss an, den Jesse allerdings verweigert, das solle Walt schon selbst machen. Die Szene hat mich leider gestört. Hätte Jesse zuvor nicht Todd auf brutalste Weise erwürgt, hätte ich jetzt nichts zu merken. Alles wäre perfekt, Jesse wendet sich von seinem kriminellen Leben ab, sein Charakter ist völlig gereinigt. Nachdem er aber gerade gemordet hat, wäre es für mich gefühlt besser gewesen, wenn er Walt, der nunmal sein ganzes Leben zerstört hat, aus diesem Leben geholt hätte, der Kreis wäre dann geschlossen. Todd hätte einfach auch von Walts Apparatur eschossen werden sollen, dann hätte ich dieses Dilemma nicht. Denn entweder hat Jesse Katharsis erfahren oder nicht, so hängt er irgendwie in der Schwebe. Schön zu sehen ist aber, dass Walt sich schlussendlich mit seiner Apparatur selbst gerichtet hat, also Selbstmord begannen hat, ohne sich seine Finger wirklich schmutzig zu machen, das passt einfach. Wunderbar ist auch die fast schon New-Age Kritik durch Lydias ableben. "Tod durch Stevia", das liest man dann doch eher selten in der Zeitung. Cinematorisch toll gemacht ist dann auch die Schlusssequenz, wenn Walt durch das Meth Labor der Nazis schlendert, sanft eine Gasmaske streichelt, im Hintergrund die Worte // Guess I got what I deserve // erklingen, Walt zusammenbricht und die Kamera langsam immer höher steigt, weiß man, dass Walter Hartwell White in Frieden gestorben ist. 

Der Magic Moment der letzten Folge Breaking Bad passierte für mich allerdings eine Szene zuvor. Es ist die Szene in der Jesse davon fährt, durch das Gittertor rast und so symbolisch seine Ketten sprengt. Er ist jetzt ein freier Mann, kann mit seiner Vergangenheit abschließen, alle Menschen die ihm das Leben zur Hölle gemacht haben sind Tot. Jesse lacht, weint vor Freude. 8 Sekunden hält dieser Shot an. Ich könnte ihn mir immer wieder ansehen. Die 8 schönsten Serien-Sekunden aller Zeiten.


Samstag, 28. September 2013



//Willkommen im Hinterland// begrüßt Benjamin Griffey mich nach zwei Jahren Abstinenz auf seinem neuen Album. 'Hinterland', das passt perfekt zu Casper. Vorstädte die in Belanglosigkeit ertrinken und jeden noch so kleinen Traum ersticken lassen, White Trash der im Trailerpark vor sich hin vegetiert. Das Hinterland, der Ort, den man so schnell wie möglich hinter sich lassen möchte. Der gigantische Hype des Vorgängeralbums 'XOXO' wurde zwar nicht komplett aufrecht gehalten, die allgemeine Vorfreude auf 'Hinterland' schien aber doch noch relativ groß zu sein und das kann ich irgendwie gar nicht verstehen. Ich kann nicht verstehen wie Casper so erfolgreich geworden ist. Eigentlich spricht alles gegen ihn und seine Musik. Der Junge stellt sich gegen das System, mischt punkige Elemente mit Rap, der eher Texten der Hamburger Schule gleicht als denen anderer Rap-Kollegen. Warum findet so was die kreischende Durchschnitts-Teenagerin gut und warum bin ich trotzdem großer Fan von Bens Musik?

Ich meine seine Texte sind nicht gerade durch die Belanglosigkeit vieler deutscher Texter geprägt. Benjamin rappt/singt weder davon, wie unglaublich geil er doch ist, noch schreibt er lustige oder Inhaltslose Texte, wie bei den Teenies favorisierten 'Musikern' a la Tim Bendzko. Mehr sein als Schein ist die Devise. Ich verstehe wirklich nicht was die Jugend an Cas findet, eigentlich scheint er wie gemacht für kleine Bühnen in Hinterhöfen und Festivals von denen man noch nie zuvor gehört hat. Der heiße Scheiß den niemand kennt halt. Und doch lieben so viele den Punker der deutschen Rap-Szene. Wir Sprechen natürlich nicht von den hippen Menschen, die 'XOXO' in den Himmel gelobt haben und 4 Monate später den Namen Casper nichtmal mehr in den Mund genommen hätten. Die gibt es leider zu Hauf, aber die haben anscheinend sowieso nie etwas an der eigentlichen Musik gefunden. Sind die Teeniehorden also ähnlich, nur dass sie die Durststrecke zum neuen Album ausgehalten haben und erst in ein paar Wochen die Notbremse ziehen werden?

Möglich. Vielleicht hat Cas auch einfach etwas geschafft, was heute nicht mehr viele Leute schaffen. Er hat die Menschen begeistert. Vielleicht nicht durch die Instrumentierung seiner Songs, die immer öfter angekreidet wird, aber vielleicht durch seine ehrlichen, melancholischen aber trotzdem hoffnungsvollen Texte. Ich glaube darin liegt sein Erfolg. Casper ist einer der wenigen populären Stars, der Musik liebt und auch für sie lebt. Sein Lebensweg ist vollkommen greifbar und wenn er dann im Schützenheim vier Mal hintereinander // Zu viele scheiß Bands, zu viel Hype// brüllt, möchte man einfach vor Freude weinen. Außerdem versteht es kaum einer so gut eine Stimmung zu vermitteln wie er. Man denke nur an das donnernde 'Der Druck steigt'. Nach jedem Hördurchgang möchte man den Bundestag stürmen und seine eigene Flagge hissen während der Großteil der Meute //Wir holen zurück was uns gehört!// schreit. Ich weiß nicht ob die meisten Casper-Fans diese Schönheit der Texte sehen, aber ich würde es mir wirklich wünschen. Ich sehe es tausend Mal lieber, wenn eine 6. Klässlerin Thees Uhlmanns magische Worte //Zu Hause ist da, wo man sich vermisst// aus 'XOXO' auf ihr Federmäppchen gekritzelt hat, als irgendwelche weichgespülten Parolen, die sie im Radio aufgegabelt hat.




Jetzt aber noch ein paar Worte zu 'Hinterland'. Ich als Fan der beiden Vorgängeralben habe mich natürlich nicht Lumpen lassen und das neueste Machwerk auf Doppel-Vinyl bestellt. Da kommt das wirklich gewöhnungsbedürftige, aber passende Cover nochmal besser zu Geltung. 11 Tracks sind auf Hinterland zu finden, 2 weniger als auf XOXO. Eingeleitet wir das Album durch die Vorab-Single 'Im Ascheregen'. 2 Minuten Intro und dann nochmal 3 Minuten einen der besten Songs des Jahres. Das Lied ist einfach perfekt. Danach geht es mit dem Titeltrack 'Hinterland' weiter, verträumte Instrumentierung trifft auf einen hoffnungslosen Text. Zurecht der Titeltrack geworden. Das ganze Album ist Genreungewöhnlich übrigens sehr gitarrenlastig geworden, mich freut das ungemein, das dürfte aber bestimmt einige aufregen. Zu jedem Beat gibt es im Hintergrund mindestens noch eine dezente Akustik-Gitarre, die den jeweiligen Track aus seinem starren HipHop-Korsett löst. Dritter Track: 'Alles Endet (Aber nie die Musik)'. Ab diesem Punkt dachte ich wirklich, ich höre gerade ein Jahrhundertalbum. Alles griff bis zu diesem Zeitpunkt perfekt ineinander. In 'Alles Endet' geht es um die Liebe zur Musik, passend dass gerade dieses Lied mit einem Zitat von Turbostaat eingeleitet wird. Schnell aufbauend treibt der Track durch die Strophe und explodiert förmlich in der Hook:

//Alles endet, aber nie die Musik!
Die wollen nur spielen
Lass die spielen
Wo die guten Jungs an schlechten Orten
Ohne Hoffnung, ohne Sorgen, nasenblutend, 6 Uhr morgens, spielen
Zu dem Beat
Alles endet aber nie die Musik//

Fantastisch. Genau in diesem Track scheint wieder Caspers wichtigste Qualität durch. Der Junge liebt Musik einfach und ist eben nicht nur dem Rap-Genre zugeneigt, sondern hat auch ein Indie-Herz, bzw. generell eine Liebe zu hoffnungslos in ihrem Werk verlorenen Künstlern. Da wundert es nicht, dass seine Songs nur so von Zitaten überquellen. Egal ob 'Die Sterne', 'Turbostaat', 'Oasis', 'Slime', 'Tomte' oder 'Frank Turner'. Alles was Rang und Namen hat wird zitiert und fast schon Tarantinoesque ineinander verbaut. Weiter macht das Album mit 'Nach der Demo gings bergab', '20qm', 'Lux Lisbon' und dem herausragenden 'Ariel'. Danach folgt mit Track 8 'Ganz schön Okay' und ab diesem Punkt stimmt das leider auch. Alles ist echt ganz gut, begeistert hat es mich aber nicht mehr, gerade 'Jambalaya' mit seinem Cheerleader-Flair ist mir doch sauer aufgestoßen. Und auch der letzte Track 'Endlich angekommen' war nicht mehr als Mittelmaß, gerade der Rausschmeißer hätte einfach besser sein müssen. 'XOXO's' 'Kontrolle/Schlaf' war da ein ganz anderes Kaliber voller Schmerz, 'Endlich Angekommen' wirkt dagegen eher lustlos runtergerappt.



Zum Jahrhundertalbum hat es also nicht gereicht, nichtsdestotrotz ist Hinterland ein super Album geworden. Ich hätte mir einfach ein wenig mehr Konzept gewünscht, in XOXO passte alles wunderbar zusammen. Das Album war wirklich rund, Hinterland bricht ab Hälfte des Albums leider mit seiner bedrückend hoffnungsvollen Atmosphäre. Wir machen das Bewertungstechnisch jetzt mal so wie bei Filmen. Wir ordnen anstatt Stream, DvD und Kino in Mp3, CD, und Vinyl.

Ihr solltet auf Vinyl kaufen.
 
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