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Donnerstag, 16. Januar 2014

Six Feet Under

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Weihnachten 2000, Los Angeles. Nathaniel Fisher ist Bestattungsunternehmer. Gerade hat er ein neues Investment getätigt, er hat einen neuen Leichenwagen gekauft. In diesem fährt er nach Hause während er gerade mit seiner Frau Ruth telefoniert. Nathaniel nimmt einen Zug von seiner Zigarette, während seine Frau ihn ermahnt doch endlich mit dem Rauchen aufzuhören. Im Radio läuft 'I´ll be Home for Christmas'. Ein Bus fährt in den Wagen.






Nathaniel Samuel Fisher *1944 -  2000








Das ist die Grundlage auf dem die Serie Six Feet Under seine Geschichte aufbaut. Alles beginnt mit dem Tod. Nathaniel Fisher hinterlässt eine ganze Familie: Seine Frau Ruth, seine Tochter Claire und seine 2 Söhne Nathaniel Jr., kurz Nate genannt, und David. Nate wohnt in Seattle und ist eigentlich nur für die Feiertage nach L.A. geflogen, er arbeitet bei einer großen Lebensmittelfirma und fand den Beruf seines Vaters schon immer befremdlich. Kein Wunder, dass er so schnell wie möglich von zu Hause auszog. Bei David sieht das anders aus, nicht umsonst heißt das Bestattungsunternehmen 'Fisher & Söhne'. Er präparierte zusammen mit seinem Vater und Mitarbeiter Federico die ankommenden Leichen, verkaufte Särge und kümmerte sich um die Kunden. Jetzt seinen Vater für seine letzte Reise herzurichten ist aber auch für David nicht leicht. Besonders Nathaniels Testament birgt eine große Überraschung für David: Das Bestattungsunternehmen geht nicht vollständig in seinen Besitz über, sondern wird zu 50% mit seinem Bruder geteilt. Auch Nate scheint davon sichtlich überrascht und bleibt nur nach langem überlegen schließlich in L.A. .

Six Feet Under ist eine wirklich besondere und einzigartige Serie, obwohl sie einfach nur aus dem normalen Leben erzählt. Hier gibt es keine Väter die anfangen Meth zu kochen, Mafiabosse oder smarte Detektive. Naja, eigentlich stimmt das fast auch nicht, innerhalb der 5. Staffeln behandelt Six Feet Under nahezu jedes erdenkliche Thema, ohne dass das aufgesetzt wirkt und macht da auch nicht vor Tabu-Themen halt. Inzest? Kein Problem, könnt ihr haben. Da Six Feet Under eine HBO-Serie ist darf auch durchgängig geflucht werden und einer der Hauptdarsteller schwul sein, alles kein Problem. Nennt mir ein Thema, ich bin mir sicher das hat schon einmal seinen Platz in einer Episode Six Feet Under gefunden. Es ist eigentlich paradox, dass eine Serie die vom Sterben erzählt diejenige ist, die das Leben am universellsten zusammenfasst, aber so ist das anscheinend wohl.

Six Feet Under ist eine klassische Drama-Serie. Bis auf den ikonischen Beginn jeder Folge müssen keine aufgezwungenen Rituale durchgeführt werden, es gibt keinen Fall pro Folge der gelöst werden muss alles kann sich frei und ohne Regeln entfalten. Was es aber gibt, ist der Tote der Woche. Denn bevor wir am Anfang jeder Episode wieder in den Alltag der Fishers geworfen werden, sehen wir immer die letzten Augenblicke eines Menschen. In der ersten Folge ist es nunmal der Vater der Fishers, aber vom Autounfall bis zum Pumaangriff über Herzinfarkte hin zum Tod durch einen Blitzeinschlag ist wirklich alles dabei. Einer schafft es sogar sich aus Versehen von seinem Eigenen Auto überrollen zu lassen. Sachen gibt's. Bei diesen Toden wird immer wundervoll mit den Erwartungen der Zuschauer gespielt, nichts passiert wie erwartet und manchmal hingegen doch. Meisten gibt es statt 2 Böden gleich 3 und sieht man zu Beginn einer Folge dann ein bekanntes Gesicht, stiehlt das einem schon nach wenigen Sekunden den Atem - Warum sehe ich da gerade Claire? Die können sie jetzt doch nicht töten, das geht doch nicht! Zu Beginn jeder Folge muss Jemand sterben, das ist unausweichlich und es kann wirklich jeden treffen. Denn wenn eine Serie konsequent ist, dann Six Feet Under. Fühlt sich ein Familienmitglied gerade wohl in seinem Leben, kommt Fädenzieher und Mastermind Alan Ball um die Ecke und schlägt mit seinem Vorschlaghammer wieder alles in Stücke. Kein Charakter tritt lange auf der Stelle, kein Boden ist stabil und das ist wohl die größte Stärke von Six Feet Under. Während die meisten Serien spätestens nach der dritten Staffel zu langweilen beginnen, dreht Six Feet Under ab diesem Punkt erst richtig auf, da werden alle Konventionen über Bord geworfen und neue Dinge probiert. 



Zu Beginn fasziniert einen das ungewöhnliche Setting des Bestattungsunternehmens noch ungemein. Die kahle Leichenhalle und die toten Körper sind wirklich befremdlich und strahlen eine besondere Faszination aus, aber nach 1-2 Staffeln wird das auch für den Zuschauer zum Alltag. Ich Glaube ich könnte euch eine wirklich schöne Beerdigung organisieren. Den Titan-Sarg würde ich nicht nehmen, der ist wirklich zu teuer, er landet ja eh nur unter der Erde. Wünschen sie eine private Abschiedsnahme, darf es dann auch eine Einbalsamierung sein? Je länger man guckt, desto mehr verliebt man sich in die Fishers. Das Autorenteam rund um Alan Ball hat es geschafft echte Charaktere zu schaffen, die einfach aus deiner buckligen Verwandtschaft geklaut sein könnten. Nach und nach wird man ein Teil dieser kleinen Familie, die einem richtig ans Herz wächst. Man Möchte bei einem Bier mit Nate über das Leben und den Tod philosophieren, David sagen, dass er sich entspannen soll und nicht immer alles so wichtig nehmen muss, Claire helfen sich selbst zu finden und Ruth einfach in den Arm nehmen, weil sich nie etwas so ausspielt wie sie es verdient hätte. Man freut sich einfach jedes Mal wenn man den Fernseher einschaltet und ein Familienmitglied der Fischers sehen kann. 

Und auch der tote Vater Nathaniel ist ein Unikat, oder muss es jedenfalls gewesen sein. Denn hier gibt es eine weitere Besonderheit Six Feet Unders: Tote fangen gerne an wieder zu reden, rauchen und wollen einfach noch ein wenig weiter leben. Natürlich passiert das alles in den Köpfen unserer Protagonisten, ist daher aber nicht weniger amüsant wenn Nathaniel sich auf seiner eigenen Beerdigung in Shorts und Hawaihemd blicken lässt und erstmal anfängt genüsslich eine Kippe zu rauchen. So können spannende Situationen entstehen, die man so bestimmt noch nicht gesehen hat. Wenn Tote anfangen ihren Selbstmord zu rechtfertigen ist das einfach narratorisch außergewöhnlich und genial. Auch sonst wirkt Six Feet Under wie eine ernste und schwarzhumorige Version von Scrubs, denn Tagträume gibt es immer wieder und wenn eine Szene plötzlich zu einem kleinen Musical ausartet kann man sich einfach nicht beschweren. 




Ich glaube Six Feet Under ist auch DIE Serie für Drehbuchnerds. Interessiert man sich dafür wie gute Geschichten geschrieben werden, die immer etwas neues bieten und aus denen man selbst auch Lehren ziehen kann, sollte man Six Feet Under studieren. Kleine Kniffe werden beispielsweise gerne mal Staffeln später wieder aufgegriffen. Nichts wird vergessen und alles bleibt logisch und in Bewegung. Was Six Feet Under außerdem perfektioniert hat ist die Weißblende. Schwarzes Überblenden gibt es nicht, stattdessen wirkt jeder Schnitt als würde man ins Licht treten, bis zum Ende dieses langen hellen Tunnels und das ist schlichtweg das Passendste was man sich für diese Serie ausdenken hätte können.

Denn die große Botschaft hinter Six Feet Under ist wenig überraschend: Lebe dein Leben, du bist nur einmal hier. Oder doch nicht? Ist das was du machst wirklich sinnvoll, kann überhaupt etwas sinnvoll sein wenn wir sterben? Verbringe Zeit mit dem was dich glücklich macht. Six Feet Under ist auf keine Weise esoterisch und wenn doch, dann aus einem guten Grund. Ich weiß, dass es sich bei Six Feet Under 'nur' um eine Serie handelt und diese produziert wurde um Geld zu verdienen und leichte Unterhaltung für den Abend zu bieten. Ich glaube aber nicht, dass Alan Ball wirklich Profit im Sinn hatte, dafür ist viel zu viel Herzblut in diese Serie geflossen und ist die Wunde wieder verschlossen gewesen hat Herr Ball ein Messer gezückt um das Blut wieder fließen zu lassen. Für mich ist Six Feet Under zu mehr als nur eine Serie geworden. Ich bin der festen Überzeugung, dass jeder der es bis zur letzten Episode geschafft hat und bei dieser insgeheim ein paar Tränen verdrückt hat, wenigstens stückweit ein besserer Mensch geworden ist. Vielleicht hilft er auch jetzt nicht der armen Großmutter über die Straße oder versucht den Hunger in Afrika zu stoppen, vielleicht bleibt er dennoch das Arschloch, das er sein ganzes Leben lang gewesen ist, aber irgendwas wird in ihm *klick* gemacht haben. Eine kleine Epiphanie nur für ihn, die ihn die Welt ganz kurz aus einem anderen Blickwinkel sehen lassen hat.

Wenn ich eines niemals an Six Feet Under vergessen werde, dann ist es eine Szene gegen Ende der Serie zu der Nirvanas 'All Apologies' gespielt wird. All in all is all we are. Besser kann man Six Feet Under nicht beschreiben.


Alle warten.

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