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Dienstag, 24. September 2013

Oh Boy oder: Wie ich lernte, einen deutschen Film zu lieben

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Eigentlich will Niko doch nur einen Kaffe trinken. Irgendwie scheint das aber nicht zu gelingen, zu viele Probleme und zu viele Menschen die er nicht versteht und die ihn auch nicht verstehen wollen, plagen den Jungen. Das Jura Studium ist schon seit 2 Jahren geschmissen, sein Vater überweist aber unwissend noch immer jeden Monat 1000€ auf Nikos Konto. Niko kommt nirgendwo an, findet aber auch keine Haltestelle, an der er seinen Lebensweg beginnen könnte. Der Führerschein ist eingezogen, Nikos Kompass findet keinen Norden mehr. Und in der ganzen verdammten Stadt scheint es einfach keinen Kaffe mehr zu geben. Oh Boy.


Aber ganz langsam, Oh Boy ist Jan Ole Gersters Regiedebüt, gewann den deutschen Filmpreis und das völlig zurecht. Tom Schilling spielt in Oh Boy den orientierungslosen Studienabbrecher Niko Fischer, den der Film einen kompletten Tag lang auf einer wahren Odyssey durch Berlin begleitet. Auf dieser kleinen Reise trifft Niko allerhand verschiedene Menschen, im Grunde einen Querschnitt durch unsere gesamte Gesellschaft. Menschen mit echten Problemen, reiche Bonzen und versnobte Künstler streifen Nikos Weg. Fast alle wirken gefestigt in dem was sie tun. Auf den ersten Blick scheinen sie deutsch und ordnungsgemäß ihre Aufgabe im großen Uhrwerk zu erfüllen, lernt man sie aber genauer kennen, dann bröckeln ihre Versaden. Da gäbe es beispielsweise Nikos Freund Matze. Matze war an der Schauspielschule, hat diese ohne Probleme absolviert und wurde danach mit Aufträgen und Anfragen überschüttet. Matze sei ein unglaublich talentierter Schauspieler, doch irgendwie scheint er selbst nicht zufrieden zu sein. Er nimmt keine Aufträge an, lebt vor sich hin und wartet seit Jahren auf seine große Rolle. Oh Boy erzählt nicht nur Nikos Geschichte, sondern auch die, einer völlig instabilen Gesellschaft, die einfach nicht mehr weiter weiß und ihre Dämonen vor dem Anderen versteckt. Genau so geht es auch Niko, sein Vater weiß nicht, dass er eigentlich schon lange nicht mehr studiert und in Wahrheit nach einem Sinn in seinem Leben sucht.

Was Oh Boy für einen deutschen Film aber so besonders macht, ist, dass er angenehm subtil ist und nicht mit den Vorschlaghammer auf den armen Kinobesucher einprügelt, dieser aber bereits vor lauter Langeweile das Zeitliche gesegnet hat. So gibt es in dem Film eine Szene, in der Niko sich an dem Set eines Films wiederfindet. Und wie sollte es anders sein, natürlich wird in Berlin ein Kriegsfilm gedreht, ganz nach der deutschen K&K Devise: Krieg und Krimis. In dem Film geht es um einen Nazi, der sich vor dem Krieg in eine Jüdin verliebt hat und diese zum Kriegsausbruch hin vor der SS rettet. Als der Krieg dann zu Ende ist, weint die Jüdin vor Freude: "Wir sind Frei", der Nazi schaut sie schmierig an und sagt "Nein, du bist frei. Mich werden sie morgen jagen!", danach trinkt er einen Tetrapack Pathos. Niko bekommt einen Anruf, sein Vater möchte mit ihm sprechen. Er verlässt das Set. vor dem Studio sieht man einen "Nazi" und einen "Juden" in aller Freundschaft eine Kippe rauchen. Es sind die kleinen Details, die Oh Boy zu so einem liebenswürdigen Film machen.


Oh Boy ist eine wirklich gelungene Momentaufnahme eines Tages im Leben eines ganz normalen Menschens. Das haben viele Regisseure bereits versucht, daran sind viele Regisseure gescheitert. Jan Ole Gersters Film hat diese Aufgabe aber mit Bravur gemeistert. Was wohl besonders am fantastischen Tom Schilling liegt. Dieser fängt die Stimmung einer wohl ganzen Generation einfach perfekt ein. Da der Film nur noch mit ganz viel Glück in ausgewählten Kinos laufen wird, kann ich euch den Kinobesuch leider nicht empfehlen, daher sage ich euch: Kauft diesen Film bitte auf Blu Ray, man sollte den echten deutschen Film unterstützen und ich glaube Oh Boy reift auch mit der Zeit.

Ich geh jetzt erstmal einen Kaffe trinken. Moment, sowas trinke ich ja gar nicht...

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